11. Juni 2016

Krimi- und Thriller-Woche: Angelique Mundt




"Sehr geehrte Damen und Herren,

die Pressesprecher der Internet-Polizei haben mitgeteilt, dass die gesuchte Täterin heute in den frühen Morgenstunden gefasst wurde. Dank der Suchmeldung, die erst wenige Minuten vor der Festnahme herausgebracht wurde, konnte Frau Mundt ausfindig gemacht und gestellt werden. Sie wird der mehrfachen Buchveröffentlichung angeklagt.

Nachführend das Vernehmungsprotokoll.

SEK Crime"







Polizeibeamtin Juliette: Erzählen Sie uns doch erst einmal wer Sie sind und woher Sie kommen.


Angeklagte Angelique Mundt: Ich bin echte Hamburgerin. Ich liebe die Stadt und gleichzeitig die Nähe zur Nord- und Ostsee. Ich habe drei Berufe, damit mir nicht langweilig wird. Ich bin seit über 20 Jahren Psychotherapeutin (10 Jahre Psychiatrie und seit 2005 in meiner eigenen Praxis). Ich behandele in meiner Praxis Jugendliche und Erwachsene mit Ängsten, Depressionen, Zwängen, Essstörungen oder Trauma-Folgestörungen. Seit 2009 arbeite ich ehrenamtlich als Psychologin in der Krisenintervention für die Polizei. Hier leiste ich „Erste Hilfe für die Seele“ bei überlebenden Opfern, Augenzeugen und Angehörigen von traumatisierenden Ereignissen. Z.B. nach Verkehrsunfällen mit Toten, Suizid eines Familienangehörigen, Tötungsdelikte oder andere Gewalterfahrungen wie Vergewaltigung oder Raubüberfall. So überbringe ich z.B. mit der Polizei auch Todesnachrichten in noch ahnungslose Familien. Und zu guter Letzt bin ich Autorin von Kriminalromanen geworden. Irgendwo musste ich ja mit meinen ganzen Geschichten, Gefühlen und Gedanken hin!




Polizeibeamtin Juliette: Erinnern Sie sich noch an das erste Buch, welches Sie gelesen haben?

Angeklagte Angelique Mundt: Nein, an das erste gelesene erinnere ich mich nicht. Aber an das wichtigste Buch erinnere ich mich gerne! Ich habe es mir von meinem gesparten Taschengeld gekauft: MICHAEL ENDE – Die unendliche Geschichte. Das war 1980 und die folgenden Monate habe ich damit zugebracht, das Buch immer und immer wieder zu lesen und die Aufmachung, mit den verschiedenen Farben, Zeichnungen etc. zu bewundern.

Polizeibeamtin Juliette: Wann und warum haben Sie damit angefangen, Bücher zu schreiben?

Angeklagte Angelique Mundt: Ich wollte schon lange schreiben, habe es mir aber nicht zugetraut. Ich habe Ende der 90er Jahre begonnen, kleine Anekdoten, die mir in der Psychiatrie passiert sind, aufzuschreiben. Irgendwann wurden die Geschichten so viele, dass ich dachte, ich probiere es einfach mal ... Richtig ernsthaft habe ich aber erst 2009/2010 damit angefangen.

Warum ich schreibe? Weil es mir gut tut! Ich habe häufig Erlebnisse aus der Therapie oder aus meinen Einsätzen für die Polizei aufgeschrieben. Für mich ist es eine Art Psychohygiene, meinen Gefühlen und dem Erlebten, Sprache zu geben, Worte zu finden. Daraus entwickelte sich dann die Idee, mehr daraus zu machen. Und hier schließt sich der Kreis. Ich bin Psychotherapeutin. Ich arbeite mit der Polizei zusammen. Ich habe einen Kriminalroman geschrieben. Und obwohl der Roman Fiktion ist, ist es doch meine tägliche Realität. Ich liebe Spannung, intensive Gefühle und die wunderbaren menschlichen Fähigkeiten, mit dem Leben zurechtzukommen. Und genau das finde ich in diesen drei Bereichen. Es ist wie eine Einheit.

Polizeibeamtin Juliette: Was schreiben Sie so?

Angeklagte Angelique Mundt: Bislang schreibe ich Kriminalromane, deren Schwerpunkt auf dem psychischen Verstehen der Opfer liegt. Mich interessieren die Motive der Täter nicht so sehr, wie das, was eine Tat mit den überlebenden Opfern, Angehörigen, Freunden und Bekannten macht. 2013 ist mein Debüt „Nacht ohne Angst“ herausgekommen. 2015 folgte der zweite Roman um die Psychotherapeutin Tessa Ravens: „Denn es wird kein Morgen geben“ und der dritte Teil wird 2017 folgen. In diesem Jahr kommt im Oktober 2016 ein Sachbuch über meine Einsätze in der Krisenintervention in die Buchläden. „Erste Hilfe für die Seele – Einsatz im Kriseninterventionsteam“ ist ein spannendes und sehr emotionales Buch über meine Begegnungen mit Betroffenen von Schicksalsschlägen.
 



Polizeibeamtin Juliette: An welches Genre trauen Sie sich gar nicht heran?

Angeklagte Angelique Mundt: Fantasy und Historische Romane. Das wäre nichts für mich. Für Fantasy bin ich nicht abgedreht genug und für Historische Romane zu faul. Diese Art der Recherche interessiert mich nicht. Mich interessieren die Menschen der Gegenwart – das finde ich schon schwierig genug.

Polizeibeamtin Juliette: Planen Sie ein Buch bis ins kleinste Detail oder schreiben Sie munter drauf los?

Angeklagte Angelique Mundt: So ein Mittelding. Ich habe natürlich ein Exposé abgegeben und daher steht der grobe Plot und die Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Aber mir passiert es, dass ich beim Schreiben einen besseren Einfall habe und alles wieder umschmeiße. Das macht ja gerade so großen Spaß am Schreiben. Ich weiß vorher nie ganz genau, wie das Buch am Ende aussehen wird. Ich kann mich noch selber überraschen. 
  
Polizeibeamtin Juliette: Woher bekommen Sie Ihre Ideen für die Geschichten?

Angeklagte Angelique Mundt: Das ist bei mir ganz leicht. Mir fallen die Ideen praktisch vor die Füße, da ich beruflich ständig mit Menschen in Extremsituationen zu tun habe. Es gibt immer einen Satz, einen Teil eines Erlebnisses, eine Tatsache, die mich sehr berührt und über die ich dann weiter nachdenke.

Polizeibeamtin Juliette: Wie lange brauchen Sie für ein Buch von der Idee bis zur Veröffentlichung?

Angeklagte Angelique Mundt: Sehr lange. Die Idee entwickelt sich, ich schreibe ein Exposé, welches mein Literaturagent dem Verlag anbietet. Wenn der Verlag das Buch haben möchte, dauert es noch ca. 1,5 Jahre ehe das Buch erscheint. Schreiben, Überarbeiten und einen Programmplatz finden, dauert eben seine Zeit.

Polizeibeamtin Juliette: Was tun Sie, um eine Schreibblockade zu lösen?

Angeklagte Angelique Mundt: Eine Schreibblockade kenne ich bislang nicht. Da ich viel zu wenig Zeit zum Schreiben habe, produziere ich immer etwas, wenn ich mich hinsetze. Nicht immer das, was ich eigentlich wollte und auch nicht immer Gutes. Aber ich produziere. Und damit lässt sich dann weiterarbeiten. Im besten Fall bin ich zufrieden und die Szene ist gut umgesetzt. Im schlimmsten Fall lösche ich alles wieder und weiß, wie es nicht funktioniert.

Polizeibeamtin Juliette:  Wann ist Ihre beste Schreibzeit?

Angeklagte Angelique Mundt: Wann immer ich mehr als 1-2 Stunden Zeit am Stück habe. Am liebsten gleich morgens. Abends oder gar nachts kann ich nicht mehr denken. Ich brauche auch Ruhe dazu. Ich kann nicht in einem Café oder im Zug schreiben (leider). Da bin ich einfach viel zu abgelenkt! Ich brauche auch im Kopf Zeit. Es dürfen also keine unerledigten Arbeiten drücken, sonst erledige ich die erst. Und wenn diese Zeit gekommen ist, läuft es ...

Polizeibeamtin Juliette:  Wie sieht Ihr Schreibarbeitsplatz aus?

Angeklagte Angelique Mundt: Eigentlich schreibe ich meistens in meiner Küche. Das ist ruhig, warm, trocken und immer genug zu Essen da. Gerade jetzt schreibe ich aber mit diesem Blick:


 

Polizeibeamtin Juliette: Was denken Sie macht eine Geschichte lebhaft und bindend?

Angeklagte Angelique Mundt: Wenn der Leser mit einem Protagonisten mitgeht. Wenn er ihm durch die Geschichte folgt, leidet und liebt. Dann bin ich gefesselt und will wissen, was passiert und wie es weitergeht.

Polizeibeamtin Juliette: Hatten Sie schon mal Selbstzweifel? Was hat Sie dann trotzdem weiter motiviert?

Angeklagte Angelique Mundt: Wann hatte ich schon mal keine Selbstzweifel? Mir gelingt es kaum, irgendetwas von dem was ich schreibe zu beurteilen. Ich schreibe es so, weil ich es nicht anders kann. Ob es gut ist? Keine Ahnung. Das entscheiden die Leser. Aber der Versuch, es noch besser zu machen, hält mich am Schreiben. Das muss doch hin zu bekommen sein ... oder?

Polizeibeamtin Juliette: Haben Sie irgendwelche Lieblingsautoren oder -autorinnen? Wo liegen Ihre Vorlieben als Leserin?

Angeklagte Angelique Mundt: Ich versuche viele deutsche Krimis zu lesen. Wir haben so viele tolle Autoren, da brauche ich gar nicht so viele englische oder amerikanische Kriminalromane lesen.

Polizeibeamtin Juliette: Welche anderen Hobbies haben Sie außerdem?

Angeklagte Angelique Mundt: Ich trommele seit ein paar Jahren in einer Samba-Band namens „Sambahia“. Das ist großartig, denn da kann ich den Kopf ausschalten und mich dem Rhythmus hingeben. Und wenn wir bei unseren Auftritten mit 50 Trommlern den Asphalt beben lassen, dann ist das einfach nur der Wahnsinn.




Polizeibeamtin Juliette: Welchen Rat geben Sie jungen Autorinnen und Autoren mit auf den Weg? Welche Fehler darf man beim Schreiben auf gar keinen Fall machen?

Angeklagte Angelique Mundt: Man darf als Anfänger nicht zu viel Zeit mit planen verbringen, zu lange am Plot rumfeilen, sondern muss schreiben, schreiben, schreiben. Klar schreibt man viel mehr, als am Ende ins Buch kommt. Überarbeitet, sortiert aus, schreibt neu ... aber wenn man immer nur plant, wird nie ein Buch daraus.







Um die Beweisführung abzuschließen, hat Polizeibeamtin Juliette einige Fragen gestellt, die normalerweise in einem Verhör nichts verloren haben. Aber oft können die Profiler zwischen den Zeilen lesen und halten folgende Fragen daher für sehr wichtig:

A: Der furchterregendste Charakter in einem Buch war für Sie? 

Angeklagte Angelique Mundt: Die Hexe in Hänsel und Gretel. Ich habe immer geweint, wenn sie mit ihrem Finger den Hänsel piekste.

B: Welchen Buchtitel fanden Sie merkwürdig?

Angeklagte Angelique Mundt: „Die Psychologin“. Im ganzen Buch kam keine Psychologin vor. Nur eine Psychiaterin. Das ist so, als ob man Klempner und Elektriker nicht auseinanderhalten könnte.

C: Sollten Sie je ein Mordinstrument erfinden, dann wäre es sehr wahrscheinlich welches? 

Angeklagte Angelique Mundt: Etwas, was in meine Handtasche passt :)

D: Wovor haben Sie panische Angst?

Angeklagte Angelique Mundt: Gewitter! Wie ein Hund verkrieche ich mich dann ins Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf. 


Die Angeklagte wird nun abgeführt. Für weitere Informationen zu diesem Fall wird auf die Autorenseite und Verlagsseite verwiesen.




 

5 Kommentare:

  1. Chapeau! Ein wunderbarer Beitrag!!! Gleich mal weitererzählen!

    Liebe Grüße
    Bine

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    1. Das ist ja lieb, vielen herzlichen Dank! Sonnige Grüße

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  2. Ganz toll gemacht! Viele Grüße Kerstin

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  3. Hammer. Allein die Idee so ein Interview zu führen ist genial. Hut ab.
    Lg Kerstin

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  4. Hallo ,

    vielen Dank für den sehr interessanten Beitrag.

    Liebe Grüße Margareta

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Danke für deine Nachricht!