"Sehr geehrte Damen und Herren,
die Pressesprecher der Internet-Polizei haben mitgeteilt, dass die gesuchte Täterin heute in den frühen Morgenstunden gefasst wurde. Dank der Suchmeldung, die erst wenige Minuten vor der Festnahme herausgebracht wurde, konnte Frau Mundt ausfindig gemacht und gestellt werden. Sie wird der mehrfachen Buchveröffentlichung angeklagt.
Nachführend das Vernehmungsprotokoll.
SEK Crime"
Polizeibeamtin Juliette: Erzählen Sie uns doch erst einmal wer Sie sind und woher Sie kommen.
Angeklagte Angelique Mundt: Ich bin
echte Hamburgerin. Ich liebe die Stadt und gleichzeitig die Nähe zur Nord- und
Ostsee. Ich habe drei
Berufe, damit mir nicht langweilig wird. Ich bin seit über 20 Jahren Psychotherapeutin
(10 Jahre Psychiatrie und seit 2005 in meiner eigenen Praxis). Ich behandele in
meiner Praxis Jugendliche und Erwachsene mit Ängsten, Depressionen, Zwängen,
Essstörungen oder Trauma-Folgestörungen. Seit 2009
arbeite ich ehrenamtlich als Psychologin in der Krisenintervention für die
Polizei. Hier leiste ich „Erste Hilfe für die Seele“ bei überlebenden Opfern,
Augenzeugen und Angehörigen von traumatisierenden Ereignissen. Z.B. nach
Verkehrsunfällen mit Toten, Suizid eines Familienangehörigen, Tötungsdelikte
oder andere Gewalterfahrungen wie Vergewaltigung oder Raubüberfall. So
überbringe ich z.B. mit der Polizei auch Todesnachrichten in noch ahnungslose
Familien. Und zu
guter Letzt bin ich Autorin von Kriminalromanen geworden. Irgendwo
musste ich ja mit meinen ganzen Geschichten, Gefühlen und Gedanken hin!
Polizeibeamtin Juliette: Erinnern Sie sich noch an das erste Buch, welches Sie gelesen haben?
Angeklagte Angelique Mundt: Nein,
an das erste gelesene erinnere ich mich nicht. Aber an das wichtigste Buch erinnere ich
mich gerne! Ich habe es mir von meinem gesparten Taschengeld gekauft:
MICHAEL ENDE – Die unendliche Geschichte. Das war 1980 und die folgenden Monate
habe ich damit zugebracht, das Buch immer und immer wieder zu lesen und die
Aufmachung, mit den verschiedenen Farben, Zeichnungen etc. zu bewundern.
Polizeibeamtin Juliette: Wann
und warum haben Sie damit angefangen, Bücher zu schreiben?
Angeklagte Angelique Mundt: Ich
wollte schon lange schreiben, habe es mir aber nicht zugetraut. Ich habe Ende
der 90er Jahre begonnen, kleine Anekdoten, die mir in der Psychiatrie passiert
sind, aufzuschreiben. Irgendwann wurden die Geschichten so viele, dass ich
dachte, ich probiere es einfach mal ... Richtig ernsthaft habe ich aber erst 2009/2010
damit angefangen.
Warum
ich schreibe? Weil es mir gut tut! Ich habe
häufig Erlebnisse aus der Therapie oder aus meinen Einsätzen für die Polizei
aufgeschrieben. Für mich ist es eine Art Psychohygiene, meinen Gefühlen und dem
Erlebten, Sprache zu geben, Worte zu finden. Daraus entwickelte sich dann die
Idee, mehr daraus zu machen. Und hier schließt sich der Kreis. Ich bin
Psychotherapeutin. Ich arbeite mit der Polizei zusammen. Ich habe einen
Kriminalroman geschrieben. Und obwohl der Roman Fiktion ist, ist es doch meine
tägliche Realität. Ich liebe
Spannung, intensive Gefühle und die wunderbaren menschlichen Fähigkeiten, mit
dem Leben zurechtzukommen. Und genau das finde ich in diesen drei Bereichen. Es
ist wie eine Einheit.
Angeklagte Angelique Mundt: Bislang
schreibe ich Kriminalromane, deren Schwerpunkt auf dem psychischen Verstehen
der Opfer liegt. Mich interessieren die Motive der Täter nicht so sehr, wie
das, was eine Tat mit den überlebenden Opfern, Angehörigen, Freunden und
Bekannten macht. 2013 ist
mein Debüt „Nacht ohne Angst“ herausgekommen. 2015 folgte der zweite Roman um
die Psychotherapeutin Tessa Ravens: „Denn es wird kein Morgen geben“ und der
dritte Teil wird 2017 folgen. In diesem Jahr kommt im Oktober 2016 ein Sachbuch
über meine Einsätze in der Krisenintervention in die Buchläden. „Erste Hilfe
für die Seele – Einsatz im Kriseninterventionsteam“ ist ein spannendes und sehr
emotionales Buch über meine Begegnungen mit Betroffenen von Schicksalsschlägen.
Angeklagte Angelique Mundt: Fantasy
und Historische Romane. Das wäre nichts für mich. Für Fantasy bin ich nicht
abgedreht genug und für Historische Romane zu faul. Diese Art der Recherche
interessiert mich nicht. Mich interessieren die Menschen der Gegenwart – das
finde ich schon schwierig genug.
Angeklagte Angelique Mundt: So ein
Mittelding. Ich habe natürlich ein Exposé abgegeben und daher steht der grobe
Plot und die Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Aber mir passiert es,
dass ich beim Schreiben einen besseren Einfall habe und alles wieder
umschmeiße. Das macht ja gerade so großen Spaß am Schreiben. Ich weiß vorher
nie ganz genau, wie das Buch am Ende aussehen wird. Ich kann mich noch selber überraschen.
Polizeibeamtin Juliette: Woher
bekommen Sie Ihre Ideen für die Geschichten?
Angeklagte Angelique Mundt: Das ist bei mir ganz leicht. Mir fallen die Ideen praktisch vor die Füße, da ich
beruflich ständig mit Menschen in Extremsituationen zu tun habe. Es gibt immer
einen Satz, einen Teil eines Erlebnisses, eine Tatsache, die mich sehr berührt
und über die ich dann weiter nachdenke.
Angeklagte Angelique Mundt: Sehr
lange. Die Idee entwickelt sich, ich schreibe ein Exposé, welches mein
Literaturagent dem Verlag anbietet. Wenn der Verlag das Buch haben möchte, dauert
es noch ca. 1,5 Jahre ehe das Buch erscheint. Schreiben, Überarbeiten und einen
Programmplatz finden, dauert eben seine Zeit.
Angeklagte Angelique Mundt: Eine
Schreibblockade kenne ich bislang nicht. Da ich viel zu wenig Zeit zum
Schreiben habe, produziere ich immer etwas, wenn ich mich hinsetze. Nicht immer
das, was ich eigentlich wollte und auch nicht immer Gutes. Aber ich produziere.
Und damit lässt sich dann weiterarbeiten. Im besten Fall bin ich zufrieden und
die Szene ist gut umgesetzt. Im schlimmsten Fall lösche ich alles wieder und
weiß, wie es nicht funktioniert.
Angeklagte Angelique Mundt: Wann
immer ich mehr als 1-2 Stunden Zeit am Stück habe. Am liebsten gleich morgens.
Abends oder gar nachts kann ich nicht mehr denken. Ich brauche auch Ruhe dazu.
Ich kann nicht in einem Café oder im Zug schreiben (leider). Da bin ich einfach
viel zu abgelenkt! Ich
brauche auch im Kopf Zeit. Es dürfen also keine unerledigten Arbeiten drücken,
sonst erledige ich die erst. Und wenn diese Zeit gekommen ist, läuft es ...
Angeklagte Angelique Mundt: Eigentlich
schreibe ich meistens in meiner Küche. Das ist ruhig, warm, trocken und immer
genug zu Essen da. Gerade
jetzt schreibe ich aber mit diesem Blick:
Polizeibeamtin Juliette: Was denken Sie macht eine
Geschichte lebhaft und bindend?
Angeklagte Angelique Mundt: Wenn der
Leser mit einem Protagonisten mitgeht. Wenn er ihm durch die Geschichte folgt,
leidet und liebt. Dann bin ich gefesselt und will wissen, was passiert und wie
es weitergeht.
Polizeibeamtin Juliette: Hatten Sie schon mal
Selbstzweifel? Was hat Sie dann trotzdem weiter motiviert?
Angeklagte Angelique Mundt: Wann
hatte ich schon mal keine Selbstzweifel? Mir gelingt es kaum, irgendetwas von
dem was ich schreibe zu beurteilen. Ich schreibe es so, weil ich es nicht
anders kann. Ob es gut ist? Keine Ahnung. Das entscheiden die Leser. Aber der
Versuch, es noch besser zu machen, hält mich am Schreiben. Das muss doch hin zu
bekommen sein ... oder?
Polizeibeamtin Juliette: Haben Sie irgendwelche
Lieblingsautoren oder -autorinnen? Wo liegen Ihre Vorlieben als Leserin?
Angeklagte Angelique Mundt: Ich
versuche viele deutsche Krimis zu lesen. Wir haben so viele tolle Autoren, da
brauche ich gar nicht so viele englische oder amerikanische Kriminalromane
lesen.
Polizeibeamtin Juliette: Welche anderen Hobbies haben Sie
außerdem?
Angeklagte Angelique Mundt: Ich
trommele seit ein paar Jahren in einer Samba-Band namens „Sambahia“. Das ist
großartig, denn da kann ich den Kopf ausschalten und mich dem Rhythmus
hingeben. Und wenn wir bei unseren Auftritten mit 50 Trommlern den Asphalt
beben lassen, dann ist das einfach nur der Wahnsinn.
Polizeibeamtin Juliette: Welchen Rat geben Sie jungen
Autorinnen und Autoren mit auf den Weg? Welche Fehler darf man beim Schreiben
auf gar keinen Fall machen?
Angeklagte Angelique Mundt: Man darf
als Anfänger nicht zu viel Zeit mit planen verbringen, zu lange am Plot
rumfeilen, sondern muss schreiben, schreiben, schreiben. Klar schreibt man viel
mehr, als am Ende ins Buch kommt. Überarbeitet, sortiert aus, schreibt neu ...
aber wenn man immer nur plant, wird nie ein Buch daraus.
Um die Beweisführung abzuschließen, hat Polizeibeamtin Juliette einige Fragen gestellt, die normalerweise in einem Verhör nichts verloren haben. Aber oft können die Profiler zwischen den Zeilen lesen und halten folgende Fragen daher für sehr wichtig:
A: Der furchterregendste Charakter in einem Buch war für Sie?
Angeklagte Angelique Mundt: Die Hexe in Hänsel und
Gretel. Ich habe immer geweint, wenn sie mit ihrem Finger den Hänsel piekste.
B: Welchen Buchtitel fanden Sie merkwürdig?
Angeklagte Angelique Mundt: „Die Psychologin“. Im ganzen Buch kam
keine Psychologin vor. Nur eine Psychiaterin. Das ist so, als ob man Klempner und Elektriker nicht auseinanderhalten
könnte.
C: Sollten Sie je ein Mordinstrument erfinden, dann wäre es sehr wahrscheinlich welches?
Angeklagte Angelique Mundt: Etwas, was in meine Handtasche passt :)
D: Wovor haben Sie panische Angst?
Angeklagte Angelique Mundt: Gewitter! Wie ein Hund verkrieche ich mich dann ins
Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf.
Die Angeklagte wird nun abgeführt. Für weitere Informationen zu diesem Fall wird auf die Autorenseite und Verlagsseite verwiesen.
Chapeau! Ein wunderbarer Beitrag!!! Gleich mal weitererzählen!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Bine
Das ist ja lieb, vielen herzlichen Dank! Sonnige Grüße
LöschenGanz toll gemacht! Viele Grüße Kerstin
AntwortenLöschenHammer. Allein die Idee so ein Interview zu führen ist genial. Hut ab.
AntwortenLöschenLg Kerstin
Hallo ,
AntwortenLöschenvielen Dank für den sehr interessanten Beitrag.
Liebe Grüße Margareta