Was
treibt Menschen dazu, auf grausame Weise einen Mord zu begehen?
Inhaltsangabe:
Warum
töten Menschen? Was lässt sie diese letzte Grenze überschreiten?
In über 30 Tötungsdelikten hat Veikko Bartel schon vor Gericht
verteidigt, in »Mörderinnen« erzählt er die vier spektakulärsten,
anrührendsten, grausamsten Fälle: die Kindsmörderin, die Sadistin,
die Gattenmörderin, die Giftmörderin. Eindrücklich schildert er
die Hintergründe, die hasserfüllten Reaktionen der Öffentlichkeit
und die biographischen Tragödien, die sich hinter den Taten
verbergen. Seine Erzählungen stellen die Frage nach Gerechtigkeit
und zeigen mit jedem Fall: Die Realität ist spannender als jeder
Krimi.
Für
mich als Krimileserin sind nicht nur ausgedachte Geschichten
interessant. Sehr gerne werfe ich einen Blick „hinter die Kulissen“
und lese auch das ein oder andere Sachbuch. „Mörderinnen“
ist in der Hinsicht ansprechend, da der Autor Veikko Bartel in seiner
Funktion als Strafverteidiger die Täterinnen tatsächlich verteidigt
hat.
Im
Vorwort wird kurz, aber intensiv auf das in Deutschland herrschende
Strafrecht eingegangen. Für Nichtjuristen trotz der theoretischen
Grundlagen fesselnd geschrieben und ohne erhobenen Zeigefinger. Hier
wird nicht erklärt, sondern Erfahrungen weitergegeben.
Der
erste Fall hat es direkt in sich. Elvira P., die bereits zweifache
Mutter ist, tötet ihr Neugeborenes und kocht es dann zwei Tage
lang, um es möglichst spurlos verschwinden zu lassen. Ganz ehrlich?
Ich musste das Buch erst einmal zur Seite legen und tief durchatmen.
Allein schon bei der Vorstellung wurde mir ganz anders.
„Wir
wollen sagen, dass unsere Mama kein Monster ist. Dass sie die beste
Mama ist, die sich ein Kind nur wünschen kann. Ob die das glauben
oder nicht. […] Das muss jeder hören.“
(Zitat Seite 40)
„Klar
waren wir oft traurig, dass wir so arm sind. Aber die Liebe unserer
Mama hatten wir immer. Jeden Tag. Sie hat uns nie enttäuscht, nie
ein Versprechen nicht gehalten. […] Wir haben Mama unendlich lieb.
Und sie braucht sich keine Sorgen zu machen, dass sich das ändert.“
(Zitat Seite 65)
Als
ihr der Prozess gemacht wurde, hat der Vater einen Brief der beiden
Kinder, elf und fünfzehn, vorgelesen. Inmitten der hasserfüllten
Worte, die seit Beginn der Verhandlung in jeder Zeitung über sie
standen, waren dies die wohl überraschendsten Aussagen. Aber was
zeigt das? Dass in vielen Fällen die Hintergründe von wichtiger
Bedeutung sind. Das „Warum“ steht im Raum: Was treibt einen
Menschen an?
Liest
man sich das Inhaltsverzeichnis durch, ist der erste Gedanke: Diese
Frauen müssen für ihre Taten bestraft werden. Gerade am Beispiel
des ersten Falles kann man auch erkennen, dass die Presse eine
weitaus größere Rolle spielt, als man meint. Eine reißerische
Berichterstattung macht sich immer gut. Sieht man aber das gesamte
Bild, merkt man, dass es nicht nur die Kategorien „Gut“ und
„Böse“gibt. „Es gibt unendlich gute Menschen, die bisweilen
böse Dinge tun und umgekehrt.“, hat der Autor in einem Interview
festgestellt. Vor allem möchte er zeigen, dass es ihm um den
Menschen geht, nicht um die Tat als solche.
„Glaube
ist keine Kategorie der Strafprozessordnung.“
(Zitat Seite 203)
Wer
kennt es nicht, ein verzweifeltes „Bitte, glauben Sie mir!“. Doch
darum geht es nicht. Man muss dem Gericht die Dinge aus der Sicht des
Täters zeigen. Das Bild bunt malen, das Kastendenken der Menschen
versuchen auszuschalten. Dazu gehört alles, was den Menschen
ausmacht, von Kindheit an.
Die
Fälle haben mich sehr berührt, vor allem weil ich ständig daran
denken musste, dass es sich um reale Fakten handelt. Das hat sich
niemand ausgedacht, seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Menschen
sind wirklich zu solch grausamen Taten fähig – der Nachbar, der
Arbeitskollege, die Mutter vom Spielplatz.
Geschrieben
war das Buch mitreißend, packend, berührend. Ich konnte es kaum aus
der Hand legen. War es doch auf der einen Seite grausam und brutal,
fand ich es zugleich faszinierend, zu erfahren, was jemanden zu solchen Taten
antreibt. Auf das Pendant „Mörder“ (VÖ 04.03.2019) bin ich schon sehr gespannt.
Persönliches
Fazit: Im
Nachgang möchte ich noch einmal betonen, dass ich keineswegs eine
Mörderin in Schutz nehme oder ihre Tat verteidige. Vielmehr hat mir
dieses Buch gezeigt, dass es halt nicht immer einfach ist, einen
Menschen aufgrund einer Tat zu vorverurteilen. Sehr empfehlenswerte Lektüre!
© Rezension, 2019, Katharina
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Bibliografie:
Autor:
Veikko Bartel
Verlag:
Mosaik / ISBN: 978-3442393367
Genre:
Gesellschaftsroman
Erscheinungsdatum:
20.08.2018
Seitenanzahl:
240
Leseprobe:
<< Blick ins Buch >>
Reihe:
Nein
Leseexemplar:
Ja
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