Hannah Häffner - Nordsee-Nacht

Atmosphärische Spannung um ein Netz aus Schweigen und Lügen


Inhalt:

Der Küstenort Hulthave, 1987: Die kleine Friederike verschwindet spurlos aus einem Zeltlager. Kommissar Wedeland ermittelt fieberhaft, aber vergebens. Das katastrophale Ergebnis legt sich wie ein Schatten über das Städtchen am Meer und das Leben der Betreuerin, die an ihren Schuldgefühlen zu zerbrechen droht. 25 Jahre später wird am Strand eine bewusstlose Frau gefunden; als sie erwacht, kann sie sich an nichts erinnern. Schnell kommt das Gerücht auf, es handle sich um Friederike. Daraufhin kehren Sascha und Wedeland nach Hulthave zurück - denn es ist Zeit, endlich die Wahrheit über jene verhängnisvolle Nacht herauszufinden ...
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„Kein Geräusch. Nur ihr eigener Atem und ihr Herzschlag, der in ihren Ohren pocht, und sie sieht, zwischen den Zweigen hindurch, die Sterne und den schiefrunden Mond. Vorsichtig setzt sie einen Fuß vor den anderen, sie haben sie nicht bemerkt. Davor hatte sie Angst gehabt.“ (Zitat S. 5)

Schon die ersten Zeilen haben mich direkt in die Handlung hineingesogen. Es fühlte sich beim Lesen an, als stünde ich in dieser Nacht neben der kleinen Friederike, die sich im Ferienlager nicht sonderlich wohl fühlt. Der Autorin Hannah Häffner gelingt es, eine unheimliche Atmosphäre zu erschaffen, die sich beinahe real anfühlt und eine unglaubliche Spannung aufbaut, die mich mitgerissen hat.

Wie grausam muss es sein, wenn das Kind einen tollen Sommer im Ferienlager verbringen soll und von dieser Reise nicht zurückkehrt? Noch grausamer ist die Vorstellung, nicht zu wissen, was mit dem Kind passiert ist, geschweige denn, ob es noch lebt. Ich mag es mir nicht ausmalen. Doch Friederikes Verschwinden zerstört nicht nur das Leben ihrer Eltern. Auch die Betreuerin Sascha zerbricht an ihrer vermeintlichen Schuld.

Der Roman gliedert sich in zwei Teile, die sich zeitlich in die Handlung einordnen lassen: 1987 und 2012. Im ersten Teil steht die Ermittlungsarbeit von Kommissar Wedeland und seinem Team im Mittelpunkt. Gleichzeitig lässt der übergeordnete Erzähler seine Leser*innen immer wieder in die Gefühlswelt aller handelnden Personen blicken, was sämtliche Figuren nahbar und realistisch erscheinen lässt. Nach und nach wird die Nacht des Verschwindens Friederikes rekonstruiert. Doch die entscheidenden Puzzleteile fehlen.

Cut. 25 Jahre später. Kommissar Wedeland ist mittlerweile pensioniert. Am Strand von Hulthave wird eine junge Frau gefunden, die ihr Gedächtnis verloren zu haben scheint. Kann es sich bei der „Nixe“, wie die Unbekannte genannt wird, wirklich um die vor 25 Jahren verschwundene Friederike handeln? Wedeland und Sascha sind skeptisch, kehren aber dennoch nach Hulthave zurück, um die Wahrheit über diese eine alles verändernde Nacht herauszufinden.
Auch im zweiten Teil des Buches schafft es Häffner, die atmosphärische Spannung aufrecht zu erhalten. Immer mehr Lücken des ungelösten Falls scheinen sich zu schließen. Intelligent und wortgewandt bindet die Autorin ihre Leser*innen in die Ermittlungsarbeit des pensionierten Kommissars ein. Einige bekannte Charaktere tauchen auch nach 25 Jahren wieder auf. Diese sind realistisch gealtert und wecken nach wie vor Mitleid, Skepsis, Sympathie und genau so auch Abneigung.

So spannend und detailliert die Geschichte um das Verschwinden der kleinen Friederike auch erzählt wird, die Auflösung war mir persönlich etwas zu knapp. Zwar blieben keine Fragen offen, die Klärung war in sich schlüssig und wirklich gut gewählt, doch hätte ich mir nach der recht lang andauernden Ermittlungsarbeit auch eine detaillierte Aufschlüsselung der Ereignisse gewünscht. Dennoch hat mich „Nordsee-Nacht“ vollkommen überzeugt. Außerdem gelang es Häffner im Epilog, mich noch einmal voll abzuholen und das Ruder doch noch rumzureißen, was für die knappe Auflösung des Falls ein wenig entschädigt.

„Er kann wieder atmen. Die Wut ist verschwunden. Er fühlt Frieden, dort, zwischen den Zeiten, zwischen den Leben. Die Wut, die unter seiner Haut gewohnt hat, schon so lange, hat sich verflüchtigt.“ (Zitat S. 377)

Persönliches Fazit: „Nordsee-Nacht“ ist ein brillantes Debüt, dass von mir, trotz kleinerer Kritikpunkte, eine klare Leseempfehlung bekommt. Hannah Häffner hat mit ihrem Erstlingswerk einen wunderbar atmosphärischen Spannungsroman geschaffen, der Lust auf mehr macht!
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Bibliografie:

Autorin: Hannah Häffner
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-20581-3
Reihe: -
Genre: (Spannungs) Roman
Erscheinungsdatum: 15.06.2020
Seitenzahl: 380
Format: PB: 15,00 € / E-Book: 9,99 €
Leseprobe: Blick ins Buch
Leseexemplar: Ja

Rezension: ©️ RO, Franziska
Cover Original: ©️ Goldmann Verlag
Grafikgestaltung: ©️ RO, Sabrina


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