Emilie Autumn - Die Anstalt für u. v. Mädchen

Eine vernichtende Kritik an der Behandlung von Frauen durch die Gesellschaft und die psychiatrische Industrie.

Inhaltsangabe:

Die Überdosis war kein Versehen. Emilie wollte sterben.
Gerettet, aber in der Hölle einer Psychiatrie gelandet, gibt es kein Entkommen. Ihr wird jede Kommunikation mit der Außenwelt verweigert. Plötzlich findet Emilie die Briefe einer gewissen Emily – mit y –, die im viktorianischen England in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Emilie verliert sich immer mehr in den Nachrichten aus der Vergangenheit. Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahnsinn verschwimmt Brief für Brief.
Über die Zeit hinweg müssen die beiden Frauen gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen: ihre Ärzte.

Überzeugend und mit einem Hauch Fantastik schildert Gothic-Ausnahmekünstlerin Emilie Autumn ihre eigenen Erlebnisse.
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TRIGGERWARNUNG: SUIZID & MISSBRAUCH!

Im Jahr 2020 starben allein in Deutschland über 9.000 Menschen durch Selbstmord. Das waren über 25 Personen pro Tag. Stellt euch das mal vor! Und trotzdem gilt es nach wie vor als tabubrechend, darüber zu sprechen. Mir geht dieses Thema ziemlich nahe, aber ich finde, Emilie Autumn ist hier äußerst feinfühlig, kritisch und sehr authentisch ans Werk gegangen.

Emilie, unsere Protagonistin, möchte eigentlich nur neue Tabletten bekommen, doch ihr Doc ist der Meinung, dass sie in einer Klinik besser aufgehoben sei. Also schickt er sie genau dorthin, ohne Medikamente, ohne weitere Erklärungen. Und Emilie nimmt uns mit. Wir begleiten sie bei allen Gesprächen und Untersuchungen, warten mit ihr ob der Dinge, die passieren mögen - oder nicht, langweilen uns, sehnen uns zurück in die Freiheit, können nicht verstehen, warum wir eingesperrt werden und warum aus Stunden Tage werden, aus Tage schließlich Wochen.

Zitat Seite 53:
"Das Seltsame an psychiatrischen Kliniken ist, dass sie einem jeglichen Grund zum Weiterleben nehmen und einem gleichzeitig die Mittel verweigern, etwas an der Situation zu ändern."

Was mich am meisten erschüttert hat, war die Tatsache, dass ich mich in vielen Dingen wiedergefunden habe. Unausgesprochene Gedanken, die Emilie durch den Kopf gehen, weil ihr sowieso keiner zuhört. Gefühle, die sie unterdrückt, weil sie glaubt, es würde eh niemand auf sie achten. Aber auch Situationen, die sie anders interpretiert als ihr Gegenüber. Was es grundsätzlich schwierig macht, zu entscheiden, wer im Recht ist und wer im Unrecht. Ob man das überhaupt so klar trennen kann. Ob ein Mann mehr wert ist als eine Frau. Ob eine Frau, die seelisch leidet, automatisch krank ist. Und zwar so, dass man an ihr herumexperimentieren darf. Emilie jedenfalls hat mit sich selbst und ihrer Umwelt unfassbar viel zu tun.

Und dann findet sie plötzlich ein Tagebuch, in das eine Emily - mit y - all das hineingekritzelt hat, was ihr im Leben widerfahren ist. Auf einmal gibt es Parallelen, Gemeinsamkeiten, Wahrheit und Fiktion scheinen miteinander zu verschwimmen. Und man steckt mittendrin, will weder flüchten noch bleiben, wünscht sich einfach nur, dass sich alles zum Guten wendet. Doch das tut es nicht. Weil nicht nach jedem Kapitel ein Happy End kommt. So läuft das nun mal nicht.

Zitat Seite 228:
"Es könnte jeden von uns treffen, jederzeit, und es gibt so viele Arten des Sterbens ..."

Persönliches Fazit: Dies ist kein normales Buch. Es ist mehr eine Symphonie der Seele - zerbrechlich, düster und zugleich wunderschön. In all den Zeilen finden sich Details und Hinweise, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Lest es, bitte!

Anmerkung: Betroffene finden hier kostenfrei Hilfe: 0800 / 111 0 111 oder unter telefonseelsorge.de
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Bibliografie:

Autorin: Emilie Autumn
Verlag: Festa
ISBN: VZA
Reihe: -
Genre: Roman
Erscheinungsdatum: 07.09.2022
Seitenanzahl: 448
Format: Print: 49,99 € / E-Book: -
Leseprobe: Blick ins Buch
Leseexemplar: Ja

Rezension: © RO, Julie
Grafik: © RO, ars.apparendi
Cover Original: © Festa Verlag
 
 

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