Interview mit: Vanessa Heintz


🎙️ Beruflich bist du Rechtsanwältin und Schuldnerberaterin. Wie kamst du zum Schreiben? 

Ich habe schon in der Grundschule Märchen geschrieben, weil ich es liebe, Geschichten aufs Papier zu bringen und somit teilen zu können. Mein erster Thriller „Im Regen verbrannt“ entstand 2013 während des juristischen Vorbereitungsdienstes. Ich schrieb meistens nachts als Ausgleich für die tägliche Arbeit, die mich schon damals nicht wirklich erfüllt hat. Die Idee zu diesem Buch hatte ich schon lange im Kopf, aber um so ein umfangreiches Werk niederzuschreiben, fehlte mir anfangs der Mut. Eines Abends setzte ich mich aber an den Laptop, fing einfach an und hörte erst ein halbes Jahr später wieder auf. 

Ich habe als hochsensibler Mensch viele Emotionen in ständigem Wechsel in mir. Das Schreiben hat mir immer geholfen, diese Gefühle wirklich zu verstehen. Mich und auch andere Menschen zu verstehen. Als ich begriff, dass das Schreiben für mich mehr war als nur Geschichen erzählen, hörte ich damit auch nicht mehr auf. Schreiben ist meine Art, mich auszudrücken. Mein Hauptkommunikationsmittel. Auf Papier kann ich Dinge formulieren, die ich zum Beispiel im Gespräch nicht ausdrücken kann. Ich muss schreiben, um selbst wirklich zu verstehen, was ich denke. Bei meinen Charakteren ist das auch so: Woher soll ich wissen, was als nächstes passiert, bevor ich lese, was ich schreibe?


🎙️ Bist du ausschließlich im Genre Thriller zu Hause, oder liest du privat auch andere Bücher? Hast du einen Lieblingsautor?

Nein, ich habe auch bereits einen Kurzgeschichtenband „Sunday Tales“ und eine Weihnachtsgeschichte „Süßsaurer Weihnachtszauber“ zusammen mit meiner wundervollen Kollegin Susanne Ertl geschrieben. Geschichten aus dem Leben, die mir einfach sehr am Herzen liegen. Es gibt auch zwei angefangene Liebesromane, einen Fantasyroman und eine Dystopie auf meinem Manuskriptstapel. 

Privat habe ich viel historische Romane, Horrorthriller und Fantasy gelesen. Zurzeit lese ich fast ausschließlich „Fachliteratur“ und die Neuerscheinungen meiner Kolleginnen und Kollegen im Rabenwald Verlag.

Ich liebe Bücher von Stephen King, weil er eine tiefemotionale Art hat, Ereignisse und Gefühle zu beschreiben und auszudrücken. Wer mir aber im letzten Jahr sehr ans Herz gewachsen ist, ist Christian von Aster. Er schreibt eine ganz andere Art von Literatur. Ich liebe seinen Witz, seinen schwarzen Humor und gleichzeitig die Fähigkeit, seine Leser tief zu berühren. Ein absoluter Ausnahmeschriftsteller, der meiner Meinung nach, noch nicht die Beachtung erhält, die er verdient.


🎙️ In der Liliana-Reihe hast du das Thema "Menschenhandel und Prostitution" aufgegriffen. Das scheint dir sehr wichtig zu sein. Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Wie realistisch ist dieses Thema in der wirklichen Welt?

Mir ist das Wohl aller Lebewesen auf unserem wunderschönen Planeten sehr wichtig. Mit 14 schrieb ich den ersten Brief an den Bundestag, um meine Stimme für die Rechte von Gewaltopfern zu erheben. Seither bin ich ehrenamtlich in diesem Bereich aktiv. Ich habe in den letzten Jahren viele Menschen kennengelernt, die Opfer von Prostitution, Missbrauch, Gewalt und Menschenhandel wurden. 

Ihre Geschichten, vor allem aber ihr Wille und Lebensmut, haben mich zu der „Liliana-Trilogie“ inspiriert. Ich wollte an die Oberfläche holen, was den Augen der meisten Menschen verborgen bleibt. Ich möchte mit dieser Reihe sensibilisieren. Ermutigen hinzuschauen. Es ist ein sehr ernstes Thema, dennoch ist es immer noch eine Geschichte mit vielen wahren Elementen, die den Leser auch fesselnd unterhalten soll. Neben dem „Augenöffnen“ wollte ich mit diesem Buch zeigen, dass es immer Hoffnung gibt, egal wie unlösbar eine Situation auch scheint. Stärke kommt von innen und Angst ist eine Entscheidung, auch wenn Gefahr vollkommen real ist.

Leider ist es auch heute noch so, dass Deutschland der Hauptumschlagplatz für Opfer von Menschenhandel in Europa ist. Die „Liliana-Trilogie“ ist, zugegebenermaßen, nichts für zartbesaitete Leser*innen. Die Realität ist noch um einiges schlimmer und brutaler. Die moderne Sklaverei ist ein Teil unserer Gesellschaft, die wir, meist aus Unwissenheit, tolerieren. Jedes fünfte Opfer in Deutschland ist minderjährig. Ich sehe nur eine Chance darin, wenn wir unsere Kinder und Frauen (auch Männer können natürlich betroffen sein) stärken. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der jedes Leben wertvoll ist und noch wichtiger, eine Gesellschaft, die es den Menschen auch zeigt. Dann würden wir beginnen uns gegenseitig zu schützen, zu stärken und würden Loverboys und Zuhältern die Macht entziehen. Es ist die mangelnde emotionale Unterstützung, die Menschen zu Objekten werden lässt. Der Mangel an Selbstwert und Liebe, der diese Grausamkeiten am Leben erhält. 


 🎙️ Auf Facebook hast du angekündigt, deine Schriftstellerkarriere zu beenden. Warum dieser schwerwiegende Schritt? Und was können wir tun, um dich vielleicht doch noch umzustimmen?

Das war ein schwerer Schritt. Das muss ich zugeben. Ich liebe meine Charaktere über alles. Sie sind wie meine Kinder. Dementsprechend habe ich ihnen sehr viel Zeit gewidmet. Ein Buch zu schreiben verschlingt Unmengen an Zeit, Emotionen und auch ... Geld. Wenn ich schreibe, kann ich nichts verdienen, und ich habe mir sehr viel Zeit zum Schreiben genommen. Es war mein Leben. Meine Passion. 

Ich musste jedoch nach sechs Jahren feststellen, dass es finanziell immer enger wurde, sodass ich wieder mehr arbeiten musste, um diese Situation auszugleichen. Ende 2018 war es dann so massiv, dass ich abwägen musste, ob ich mir meine Schriftstellertätigkeit überhaupt noch leisten kann, und das Ergebnis war: nein. Die meisten Leser denken, dass Autoren einen Großteil der Einnahmen aus ihren Büchern erhalten. Dem ist leider nicht so. Plaudern wir mal aus dem Nähkästchen: Es spielt am Ende keine Rolle, ob Selfpublisher oder Verlagsautor! Viele Autoren, und da nehme ich mich nicht raus, verdienen unter einem Euro pro verkauftem Buch. Wenn man gegenrechnet, wie viel Zeit so ein Buch bis zu seiner Beendigung braucht, dürfte jedem klar sein, dass sich die Arbeit finanziell nicht lohnt. Das war mir aber egal. Ich wollte erzählen, ich wollte schreiben. Mit drei weiteren Jobs (meistens auch noch Herzensangelegenheiten) ist das aber schlecht möglich. 

Mein Verlag versucht momentan auch sehr viel, um mich zum Weiterschreiben zu animieren. Auch einzelne Leser haben mir wundervolle Nachrichten geschickt, die mich zutiefst gerührt haben. Ich habe mehrere angefangene Werke, die auf Vollendung warten, und ich weiß, dass der Verlag versuchen wird, vorab Interessenten dafür zu finden. Wenn ich spüre, dass die Menschen weiterhin Interesse an diesen Büchern haben, so sehr, dass sie mich sogar mit einem Kauf unterstützen würden, werde ich diese Werke fertig schreiben. Ansonsten werde ich wohl erst wieder eine Feder in die Hand nehmen können, wenn ich in meinem eigenen Leben so einiges transformiert und es aus eigener Kraft geschafft habe.

🎙️ Ich habe auf deiner Webseite gesehen, dass du im Sommer diesen Jahres Onlinekurse anbietest. Was genau hat es damit auf sich? 

Ich habe ja kurz erwähnt, dass ich mehrere Jobs habe. Neben dem Schreiben ist es mir eine Herzensangelegenheit, Menschen dabei zu helfen, ihren Selbstwert zu erkennen. Ich bin überzeugt davon, dass sich jeder Mensch das Leben erschaffen kann, das er sich wünscht. Es ist nicht so einfach, wie viele Lifecoaches behaupten, aber es ist möglich. 

Ich arbeite als transpersonale Lebensberaterin; das bedeutet, dass ich nicht nur psychologisch, sondern auch auf der körperlichen und seelischen Ebene mit Menschen arbeite. In der Zusammenarbeit geht es darum, seine Schatten wahrzunehmen und zu integrieren. Seine Gefühle anzunehmen, egal wie man sie gerade bewertet. Ich möchte mit meinen Klienten zusammen alten Ballast abwerfen, neue Glaubenssätze erschaffen und sie dabei unterstützen zu erkennen, dass sie mehr sind als die Rollen, die die Gesellschaft ihnen gegeben hat. Ein Thema, das auch immer wieder in meinen Büchern zu finden ist und Hauptthema in meinem Fantasy-Roman werden sollte. 

🎙️ Was wünschst du dir für die Zukunft?

Glückliche Menschen. Wenn ich in die Zukunft sehe, möchte ich Menschen sehen, die selbstbestimmt sind und ihrem Herzen folgen. Ich bin so dankbar für jeden, den ich ein kleines Stück auf diesem Weg begleiten darf. 

Wie man sicherlich zwischen den Zeilen lesen kann, bin ich selbst noch auf diesem Weg. Ich kenne mein Ziel und weiß, dass mich alle Hindernisse nur stärker machen.

Für mich persönlich weiß ich, dass der Sturm, der momentan in meinem Leben wütet, vorbeiziehen wird. Er gibt mir die Möglichkeit, mich neu zu fokussieren, und ich wünsche mir, dass ich in nicht allzuferner Zukunft wieder aus der Liebe zu meinen Charakteren schreiben kann, weil Schreiben nach wie vor das ist, was einen Großteil von mir ausmacht. Und ich wünsche mir emotionale Leser*innen, die voll und ganz in meinen Büchern aufgehen.

🎙️ Vielen Dank, liebe Vanessa, dass du dir die Zeit genommen hast, uns für das Interview zur Verfügung zu stehen. Wir bleiben dir treu erhalten!
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Redaktion: Daniela Krüger

Lektorat, Layout: Juliette M. Braatz
Fotos: ©Vanessa Heintz


 

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