Sam Millar - True Crime

Die Story eines jungen Mannes, der am Rande der Illegalität lavierte.

Inhaltsangabe:

Diese Geschichte beginnt im Norden Belfasts: Dort wird 1955 Sam Millar geboren, der Vater Protestant, die Mutter Katholikin. Der Riss, der ganz Irland teilt, geht mitten durch Sams Familie. Sam geht früh von der Schule ab und arbeitet in einem Schlachthof. Als Teenager schließt er sich der IRA an, bis er eines Nachts von der Polizei aus seinem Bett gerissen wird. Es folgen Jahre im härtesten Knast Europas. Nach seiner Entlassung reist Sam Millar illegal nach New York, wo er einen verwegenen Plan ersinnt: den Überfall auf das Gelddepot der Firma Brink’s – der hier erstmals aus der Sicht des Täters erzählt wird.

Sam Millar hat einen außergewöhnlichen Thriller geschrieben, in dem nichts erfunden ist. Schonungslos offen erzählt Millar von einer Jugend auf den Straßen von Belfast, die früh ins Gefängnis führt; vom jahrelangen Kampf um die eigene Würde – und von einem Verbrechen, mit dem er Geschichte schrieb.

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True Crime ist ein Subgenre der Sachliteratur und widmet sich primär der Darstellung realer Kriminalfälle. Und genau das ist es, was die Leserschaft dermaßen anzieht und fasziniert: die Realität. Das wahre Verbrechen, das so, wie es im Buch, Podcast oder Internetbeitrag dargestellt wird, stattfand.

Bevor Sam Millar aka André Singleton als erfolgreicher Autor reüssierte, war er u.a. als "Blanket-Man" und Drahtzieher beim "großen Dings bei Brink's" berühmt-berüchtigt.

Sam Millar blickt auf eine schwierige Kindheit zurück: der Vater war bei der Marine und oft nicht zu Hause, die psychisch labile Mutter geplagt vom Alleinsein, suchte Trost im Alkohol, Essen gab es meistens durch Rabattmarken und Lebensmittelgutscheine, und die strenggläubige katholische Erziehung durch den Großvater tat ihr Übriges. So erlebte er auch den "Blutsonntag" 1972 in Derry hautnah mit. Als ein ehemaliger Schulfreund erschossen wurde, wechselte Sam zu einem militanten Republikanismus. Man warf ihm vor, er würde zur IRA gehören, einer irisch-republikanischen, paramilitärischen Organisation, die aus der Spaltung der Irisch-Republikanischen Armee im Dezember 1969 hervorging. Aufgrund dieser Verbindung und späterem Vorwurf des Waffen- und Sprengstoffbesitzes wurde er im Gefängnis Long Kesh (auch bekannt als Maze Prison oder H-Blocks) untergebracht. Da er sich vehement dagegen wehrte, die Verurteilung und die Regeln des Gefängnisses anzuerkennen, musste er jahrelang unter schlimmsten, die Menschenwürde verletzenden Bedingungen leben. 

Dies alles wird im ersten Teil des Buches beschrieben. Die Kapitel sind chronologisch unterteilt und haben Überschriften, die sich auf die jeweiligen Inhalte beziehen. Dazu gibt es jeweils passende Zitate aus anderen Büchern.

KAPITEL EINS
Das Haus
April 1965

Sie versauen dich, deine Mutter und dein Vater. Vielleicht nicht mit Absicht, trotzdem tun sie es. Sie füllen dich an mit ihren eigenen Fehlern. Und geben noch welche obendrauf, nur für dich. - Philip Larkin, This Be The Verse

Im zweiten Teil des Buches führte ihn sein Weg hinaus in die Freiheit, ab nach New York. Dort gründete er eine Familie mit seiner Frau, sie bekamen drei Kinder. Doch statt das Leben zu genießen, das Beste draus zu machen, plante er 1993 den spektakulärsten Überfall in der amerikanischen Geschichte. Bis dahin war er mir äußerst sympathisch, doch dann kam ich nicht umhin, mich zu fragen, warum jemand ständig auf der Suche nach Problemen ist. Fiel es ihm wirklich so schwer, einfach mal glücklich (oder zumindest zufrieden) zu sein? Hatte er denn aus seiner Vergangenheit nichts gelernt? 

Die knochenfarbenen Zellen, deren Trostlosigkeit der dunkle Himmel noch unterstrich, waren das erste, was ich sah, als ich aus dem Transporter stieg [...] Ein Wärter hatte sich in eine Ecke verkrochen, um eine zu rauchen. [...] Einen Moment hatte ich den Eindruck, als würde er mich kopfschüttelnd betrachten und an meinem Verstand zweifeln. (Seite 91, 92)

Natürlich ging alles Mögliche schief, und er wurde schließlich wieder verhaftet. Das ist übrigens kein Spoiler, denn der Fall samt anschließendem Gerichtsverfahren sorgte einst für mächtig Wirbel in den Medien. Und zwar so sehr, dass Warner Brothers, die die Filmrechte erworben hatten, einen Rückzieher machten, nachdem die Bush-Regierung aufgrund der Anschläge vom 11. September behauptete, das Buch würde den Terrorismus verherrlichen. 

Im zweiten Teil erhält der Leser interessante Einblicke in die Prozessführung und in das amerikanische Rechtssystem. Dabei schreibt Millar nicht mit prahlerischem Unterton, glorifiziert seine Handlungen nicht, belehrt nicht, sondern greift auf Fakten zurück und schildert mit konsterniertem Understatement. Er schreibt locker, geradeheraus und lässt stellenweise seine politischen Ansichten mit einfließen.

Persönliches Fazit: Ein aufschlussreicher, spannender, erschütternder und autobiografischer Krimi, der erstaunlich leicht von der Hand ging. True Crime at its best.

© Recensio Online, Rezension, 2019, Julie

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Bibliografie:

Autor: Sam Millar
Verlag: Atrium / ISBN: 978-3038821101
Genre: Krimi, Thriller
Erscheinungsdatum: 22.03.2019
Seitenanzahl: 416
Format: Taschenbuch: 10 € / E-Book: 8,99 €
Leseprobe: <<Blick ins Buch >>
Reihe: -
Leseexemplar: Ja


6 Kommentare:

  1. Ich muss sagen das klingt nach genau etwas für mich! Ich lese ausschließlich Sachbücher über Kriminalfälle der Geschichte bzw. Biographien von Mördern etc.. Es hat einfach schon alleine etwas beängstigend spannendes wenn man weiß, dass da was Wahres dahinter steckt!

    Viele Grüße
    Denise
    www.lovefashionandlife.at

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  2. Das hört sich ja sehr interessant an. Ich finde das richtig super wenn ein Buch so geschrieben ist, dass man sich reinlegen kann.
    Viele Grüße, katrin

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  3. Das hört sich interessant an und nachdem ich im Sommer hoffentlich mehr Zeit zum Lesen habe, wandert dieses Buch gleich auf meine Wunschliste. Danke für den Tipp!

    lg
    Verena von avaganza.com

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  4. Das wäre ein Buch für mich, denn sowas Lese ich total gerne. Für mich muss es immer Spannend sein und bleiben, sonst wird mir zu schnell langweilig bei einem Buch.

    Liebe Grüße,
    Melanie

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  5. Many thanks for reviewing On The Brinks. Thank you.

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Danke für deine Nachricht!