Interview mit: Sabine Thiesler

© Stefanie Dutschke

 

 

 
🎙️ Wenn man sich Ihren Lebenslauf ansieht, würden so einige Kollegen vor Neid erblassen. Von Theater- und Drehbuchautorin über Synchronisierungen bis hin zu etlichen literarischen Werken ist fast alles aus der Film- und Buchwelt vertreten. Was hat Ihnen am meisten Spaß bereitet?

Das Bücherschreiben. Obwohl es so viel schwerer ist, als Drehbücher, Hörspiele oder Theaterstücke zu verfassen. Aber man ist frei, kann machen, was man will. Beim Film regiert das Geld, der Produzent guckt weniger auf den Inhalt der Geschichte, sondern mehr darauf, was es kostet, das Ganze umzusetzen. Da wird aus dem Drehort Hongkong leicht mal Hannover, und aus einer Demo ein armseliger Auflauf von fünf Leuten. Ein Produzent bricht bereits auf Seite drei des Drehbuchs zusammen und stöhnt: „Weißt du, was das kostet?“ – Bei einem Buch kann ich schreiben, was ich will, kann meiner Fantasie freien Lauf lassen und alles, aber auch wirklich alles geschehen lassen.

🎙️ „Hängen geblieben“ sind Sie mittlerweile bei Ihren Thrillern. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?

Ja, das habe ich in der ersten Frage schon erklärt. Und dann sind es die Lesungen und das Einlesen von Hörbüchern. Das mache ich leidenschaftlich gern. Bei Lesungen Kontakt zu meinen Lesern zu haben, ist großartig und entschädigt mich für monatelanges, einsames Schreiben. Etwas Schöneres gibt es nicht!

🎙️ Ihr neuestes Werk „Der Keller“ dreht sich um eine junge Frau, die in der Toskana spurlos verschwindet. Wie kann der Leser dieses Buch einordnen?

Es ist – wie immer – ein klassischer Psychothriller. Wieder ganz anders als meine anderen Thriller, meine Bücher sind ja alle sehr unterschiedlich, aber wieder ist natürlich Commissario Neri mit dabei, und diesmal sogar in einer herausragenden, beinah protagonistischen Rolle, denn seine Familie und er selbst, geraten in den Fokus eines gnadenlosen Killers.
 

🎙️ Warum haben Sie sich für diesen Handlungsort entschieden?

Es hat sich so ergeben. Ich brauchte diesmal nicht eine einsame Hütte in den Bergen, sondern einen prunkvollen Palazzo, um die Geschichte zu erzählen, die ich erzählen wollte.

🎙️ Haben Ihnen ehemalige Nachbarn, als Sie noch in der Toskana wohnten, den Schauplatzwahl Ihrer Thriller übel genommen?

Nein. Niemals. Wenn man über einen kleinen Ort in Deutschland schreibt, und dort ist der Bäcker ein Mörder oder ein Kinderschänder, würde einen der Bäcker dieses Ortes sofort verklagen. In Italien ist das anders. Sie waren alle stolz darauf, dass die Verbrechen sich in ihrem Ort Ambra und der Umgebung abspielten, und wenn in einem meiner Bücher der Bürgermeister von Soundso ein Vergewaltiger war, dann lief der echte Bürgermeister mit stolz geschwellter Brust durch die Gegend und freute sich, erwähnt worden zu sein. Das war sehr entspannend. Ich konnte machen was ich wollte, musste keine Konsequenzen fürchten.

🎙️ Wie sah Ihre Recherchearbeit aus?

Ich recherchiere eigentlich nicht gerne. Für den „Zeckenbiss“ habe ich sehr sehr viel recherchiert, für den Keller kaum bis gar nicht. Ich wusste, worüber ich schrieb. Ich kannte mich da aus…

🎙️ Wie kommen Ihnen die Ideen zu Ihren Geschichten? Gibt es reelle Bezüge?

Es ist immer ein kleiner Anlass. Ich kann einen Menschen kennen, der mich interessiert, oder einen, der mich ärgert, aufregt, oder nervt…, und dann mache ich ihn zum Protagonisten, entwickle seinen Charakter weiter, lasse eine Geschichte um ihn herum entstehen. (Nachtprinzessin, Keller)Oder ich sehe ein Haus, das meine Fantasie anregt (Hexenkind)Oder ich erfahre von einer außergewöhnlichen Begebenheit. So hatte ich von einer Frau gehört, die in Siena einen Sprachkurs machte, um besser Italienisch zu lernen und Leute befragen zu können. Denn sie hatte vor zehn Jahren ihren Sohn verloren, der in der Toskana vor dem Haus gespielt hatte und plötzlich und bis zu diesem Tag verschwunden war. Das hat mich so tief berührt, dass ich es zum Thema meines Buches gemacht und den „Kindersammler“ geschrieben habe.

Es ist immer ein kleiner Anstoß, aber wenn dieser so interessant ist, dass ich mich damit ein Jahr oder länger beschäftigen möchte, dann fange ich an zu schreiben.

🎙️ Welche Leser möchten Sie mit Ihren Büchern ansprechen bzw. erreichen?

ALLE.

🎙️ Gibt es nach Ihrer bisherigen erfolgreichen Karriere für Sie noch Ziele, die es zu erreichen gilt?

Das größte Ziel ist immer das nächste Buch. Weil man nach jedem abgeschlossenen Buch das Gefühl hat: Das war’s. Jetzt fällt mir nichts mehr ein, das ist nicht mehr zu toppen.

So ging es mir jedes Mal, aber jetzt schreibe ich schon am zwölften Thriller. Und ich hoffe, und mein größtes Ziel ist es, dass die Quelle meiner Fantasie nicht versiegt.

🎙️ Was lesen Sie derzeit privat? Können Sie Ihren Lesern eine Buchempfehlung aussprechen?

Nee. Weil ich kaum etwas von Kollegen lese, wenn ich schreibe, um in meinem Stil nicht abgelenkt zu werden. Und es gibt so viele tolle Kollegen. Wenn ich jetzt einen nennen würde, wäre das allen anderen gegenüber – die ich auch wertschätze – ungerecht.

🎙️ Und zum Schluss: Warum sollten die Leser unbedingt „Der Keller“ lesen?

Ich glaube, das Buch ist so spannend, dass man irre wird. Ich kann das schwer beurteilen, ich stecke zu tief drin in der Geschichte, aber der Tontechniker, der mein Hörbuch aufgenommen hat, hat sich gar nicht mehr eingekriegt. Wollte nach einem langen Tag nie aufhören, wollte immer wissen, wie es weitergeht, hat manchmal aufgeschrien und „Oh mein Gott“ gebrüllt…

Ich glaube, es zerrt an den Nerven, es reißt einen mit, man kann es kaum ertragen…, man will wissen, was weiter passiert und wie es ausgeht. Ist das nicht toll, um abzutauchen aus dem Alltag!?

Ich freue mich über jeden, den ich für ein paar Stunden oder Tage in eine ganz andere Welt entführen kann.

https://www.sabine-thiesler.de/

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Redaktion: Daniela
Lektorat, Korrektorat, Layout: Juliette